Kunst, Klang und Kulisse
Merkliste aufrufen merkenIm Schloss Grafenegg, mitten in der Weinbauregion Kamptal, ergeben Natur, Kultur, Musik und Geschichte ein außergewöhnliches Gesamtkunstwerk.
Das Schloss Grafenegg ist ein perfektes Ensemble aus klassischer Musik und futuristischer Kunst, Natur und Inszenierung – und verströmt dabei eine Stimmung, die zwischen Ruhe und Feierlichkeit oszilliert.
Jedes Jahr im Sommer verwandelt sich das Schloss Grafenegg und sein Schlosspark zu einem internationalen Hotspot der klassischen Musik. Das Orchester-Festival, bei dem sich Spitzenorchester, herausragende Solist:innen und Stardirigent:innen aus der ganzen Welt ein Stelldichein geben, hat sich längst als Jour Fixe in die internationalen Kulturagenden eingeschrieben. Aber auch abseits von Wolkenturm und Konzerttagen lohnt sich ein Besuch. Wir verraten, was sie auf keinen Fall verpassen dürfen.
Ein Streifzug auf den Spuren der heimischen Kunstgeschichte
Schon ein kurzer Blick auf die Fassaden der zahlreichen Bauten im Grafenegger Schlosspark verrät, dass an diesem Ort etliche Epochen architekturgeschichtlicher Baukunst verewigt wurden: Die Schlossanlage ist vorwiegend dem romantischen Historismus zuzuschreiben. Es gibt aber auch eine filigrane, gotische Mühle, den barocken Gartenpavillon und zeitgenössische Architektur des 21. Jahrhunderts. Das alles ergibt einen einzigartigen Stilmix, dessen Reiz eindeutig in der Gesamtheit liegt. Das modern gehaltene Auditorium ist dabei etwa nicht bloß architektonischer Kontrast, sondern vor allem Reflexionsfläche kulturhistorischer Entwicklungen – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: In der abgesenkten Kupferdecke des 2008 erbauten Konzertgebäudes spiegeln sich die benachbarten historischen Gebäudeteile von Reitschule über Restaurant und Schlosstaverne. Zugleich zeugt die Patina des Kupferdaches davon, dass die Zeit ihre Spuren hinterlässt. Aber vor allem zeigt es: Der Ort mag ein historischer sein, aber keinesfalls einer, der stehen bleibt.
Neue Kunst auf alten Wegen
Eine überdimensionale, etwas unförmige Bank aus italienischem Marmor. Eine gelbe Telefonzelle unerreichbar auf einer weißen Pyramide platziert und Kleiderständer, die zwischen Bäumen aus dem Boden ragen – ein Spaziergang durch den Schlosspark Grafenegg weicht Grenzen unserer gewohnten Denkschemata auf und lässt einen nicht selten etwas ratlos zurück: Soll man nun staunen, zweifeln, lachen? So viel steht jedenfalls fest: Das Zusammenspiel aus uralten Baumriesen, verwachsenen Wegen, weiten Wiesen und zeitgenössischer Kunstinterventionen fordert die eigene Wahrnehmung heraus. Und das ist auch gut so, setzten sich die Künstler:innen, die sich mit Kunstwerken im Schlosspark Grafenegg verewigten, doch mit der Gegensätzlichkeit von Natur und menschlicher Inszenierung auseinander. Insgesamt 12 derartiger Installationen befinden sich auf dem 32 Hektar großen Areal und bringen die Spaziergänger:innen schon einmal ins Staunen. Vor allem aber beweisen sie, dass Kunst im öffentlichen Raum keineswegs nur den Städten vorbehalten ist, sondern die Natur eine mindestens genauso spannende Spielwiese für künstlerisches Schaffen ist.
Ein Ort für Rookies und Routiniers
Sie befinden sich, was ihren beruflichen Werdegang betrifft, an recht unterschiedlichen Stationen ihrer Laufbahn: Die Künstler:innen des European Youth Orchestra (EUYO) stehen als Nachwuchsmusiker:innen am Anfang ihrer Karriere. Das Tonkünstlerorchester Niederösterreich hingegen besteht aus etablierten Musiker:innen, die bereits auf eine langjährige Erfahrung zurückschauen können. Was die beiden Spitzenorchester dennoch eint, ist ihre Residenz: In Grafenegg fanden beide Ensembles eine musikalische Heimat. Während das Tonkünstlerorchester genau am 19. August 2023 schon sein 50-jähriges Jubiläum auf den Grafenegger Bühnen feiert, verlegte das Jugendorchester der Europäischen Union, das aus Musiker:innen aller 27 Mitgliederstaaten besteht, erst Anfang 2023 seine Spielstätte nach Österreich.
Das erste Grafenegg-Konzert als Residenzorchester wird das EUYO im Sommer 2023 mit der Geigerin Julia Fischer als Solistin geben. Dirigent des Programms ist Manfred Hobeck, der auf Werke von Prokofjew und Schostakowitsch setzen wird. Das Tonkünstlerorchester Niederösterreich hingegen ist einer der größten und wichtigsten musikalischen Botschafter Österreichs. Mit Yutaka Sado am Pult eröffnet es traditionell die Festivalsaison mit der beliebten Sommernachtsgala und stellt, wie auch Grafenegg selbst, seine stilistische Vielseitigkeit unter Beweis.