Birne unplugged
Merkliste aufrufen merkenWenn beim Mostviertler Feldversuch die Haubenköchin die Edelbrandexpertin trifft, ist Mithelfen erlaubt.
Das ist geballte Frauenpower: Theresia Palmetzhofer betreibt mit ihrem Haubenlokal Gasthaus zur Palme in Neuhofen an der Ybbs eines der renommiertesten Gasthäuser der Region. Getreu ihrem Motto „Essen verbindet" hat sie sich mit Doris Farthofer von Farthofers Mostelleria und deren weltweit für Furore sorgenden Spirituosen zu einem neuerlichen Mostviertler Feldversuch zusammengetan. Auch Gäste sind eingeladen, bei dem kulinarischen Experiment mitzuwirken. Was treibt die beiden an? Warum lieben sie das Mostviertel? Und was ist eigentlich noch mal die regionale Alternative zu Pecorino?
Theresia, wie würdest Du das, was Du in Deinem Gasthaus "Zur Palme" machst, beschreiben?
Theresia Palmetzhofer: Wir arbeiten mit hochwertigen Grundprodukten aus der Umgebung, nicht nullachtfünfzehn, sondern neu interpretiert. Wichtig ist mir, dass nicht zu viele Komponenten auf dem Teller liegen: Eine Karotte bleibt eine Karotte. Abgesehen davon arbeite ich viel mit dem Star der Region, der Mostbirne. Aus getrockneter Pichlbirne mache ich beispielsweise eine Creme oder Eis, mit dem Mostello der Destillerie Farthofer eine weiße Schokoladenmousse.
Was kochst Du aktuell besonders gerne?
Theresia Palmetzhofer: Vegetarisch zum Beispiel eine Kerbelknolle, geschmort und roh gehobelt, dazu gibt es Ziegenkäse-Panacotta, Bittersalat und Rapsölmarinade. Wenn es Fleisch sein darf, gerne Mangalitzarücken, den bekomme ich, wie den Großteil meines Fleischs, von der bäuerlichen Genossenschaft Hohenlehen.
Doris, Du betreibst mit Deinem Mann Josef in Öhling die Mostelleria. Was macht Eure Brennerei so besonders?
Doris Farthofer: Unser Presshaus stammt aus dem Jahr 1874, seit 2003 sind wir biozertifiziert. Getreu dem Motto „Vom Feld in die Flasche“ findet der ganze Produktionsprozess in unserem Betrieb statt, von der Getreidereinigung übers Schroten und Mälzen bis hin zur Abfüllung. Auf diese Weise können wir völlige Transparenz gewährleisten. Das für unsere Spirituosen verwendete Urgetreide kommt von unserer eigenen Bio-Landwirtschaft und Bauern aus der Nachbarschaft. Wir setzen auf Kreislaufwirtschaft, arbeiten ausschließlich mit nachwachsenden Rohstoffen, betreiben Photovoltaik und verwenden die Reststoffe der Destillation als Dünger für unsere Felder. Das für die Destillation benötigte Kühlwasser wird wiederverwendet.
Auf welche Produkte seid ihr besonders stolz?
Doris Farthofer: Zum einen auf unseren Mostello, einen naturbelassenen Birnenportwein. Nachdem die Gärung mit Mostbirnensaft gestoppt wird, füllen wir ihn unfiltriert ins Fass. Zum anderen auf unseren Wodka, mit dem wir 2012 in London Weltmeister bei der IWSC, der International Wine & Spirit Competition wurden. 2400 Einreichungen aus 96 Ländern – und wir als Mostviertler Familienbetrieb holen die Trophäe! Beim Wodka geht es uns, wie bei all unseren Produkten, darum, den Geschmack der Region in die Flasche zu bringen. Eine gute Gelegenheit, unsere Philosophie kennenzulernen, ist ein Besuch in unserer Mostelleria. Verkostungen gestalten wir so individuell wie möglich, nach dem Tischlein-deck-dich-Prinzip: Einfach online auswählen, was man gerne probieren möchte. Von Wodka über Mostello bis hin zu Säften, dazu Kleinigkeiten auf dem Teller von Fleisch bis vegan.
Stichwort Region: Was zeichnet Eurer Meinung nach die Kulinarik des Mostviertels aus?
Theresia Palmetzhofer: An vielen Stellen übernimmt gerade eine junge Generation, das wird spannend. Früher haben alle denselben Brei gekocht, heute haben wir eine ganz andere Vielfalt, was die Art der Zubereitung betrifft.
Doris Farthofer: Beim Thema Vielfalt stimme ich Theresia zu, ebenso ist es für mich die Regionalität: Wir arbeiten, kochen und essen das, was vor unserer Haustür wächst, und achten stark auf die Natur. Unser Alleinstellungsmerkmal ist die Mostbirne, weswegen wir diese auf unterschiedlichste Form veredeln.
Ein gutes Stichwort: Als Duo kann man Euch beide bei den Mostviertler Feldversuchen erleben. Was genau passiert dort?
Doris Farthofer: Wir bieten ein Menü im Birnengarten, ganz ohne Strom und Wasser, und zwar jeweils zu einem bestimmten, jährlich wechselnden Thema. 2024 ist es "Feldversuche unter Birnbäumen und freiem Himmel". Im Fokus steht die Erde und alles, was darauf und darunter wächst. Dazu gibt es einen spannenden Mix von verschiedenen Cocktails, reinsortige Birnenmoste und Weine aus dem Traisental.
Theresia Palmetzhofer: Bei den Feldversuchen werden die maximal 40 Gäste miteingebunden, sofern sie das wollen. Indem sie Kräuter pflücken, Butter schlagen oder Hölzer für den Steckerlfisch schnitzen. Einmal haben sie ein ganzes Huhn gerupft und zerteilt und es anschließend mit selbst destilliertem Zitronengeist parfümiert.
Abgesehen vom Essen stehen die Produkte der Mostelleria im Fokus. Was haben die Gäste im Glas?
Doris Farthofer: Neben Wein, Birnenmost und Alkoholfreiem entwickelt unser Barkeeper Florian Kinast für jeden Gang einen korrespondierenden Cocktail, und zwar ausschließlich mit Zutaten der Region. Es gibt also weder Mangosaft noch Kokossirup oder Zitronensäure. Letztere ersetzt Florian durch Verjus.
Verratet ihr uns noch Eure persönlichen Mostvierteltipps?
Theresia Palmetzhofer: Ich liebe Radfahren am Hochkogel! Außerdem kann ich den Euratsfelder Hofladen "d'Speis" sehr empfehlen, außerdem die Milchmäderl aus Wallsee. Deren Produkte sind ein fixer Bestandteil vieler meiner Gerichte. Die Schneidige Susi etwa, eine Art Pecorino, eignet sich perfekt für Risotto – da braucht es keinen Parmesan mehr.
Doris Farthofer: Die Fernsicht vom Sonntagberg ist traumhaft. Der Ybbstalradweg ist nicht nur zum Radeln perfekt, sondern auch zum Laufen. Auf diese Art kann ich die Natur besonders intensiv genießen – und mich anschließend zum Beispiel beim Landgasthof Bachlerhof in Kematen an der Ybbs verwöhnen lassen.