Bodennah und experimentierfreudig

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Im Kamptal erproben Winzer:innen, wie sich der besondere Boden der Gegend im Wein wiederfindet.

Gesunde Böden treffen auf ein besonderes Mikroklima und biologische Bewirtschaftung: All das spielt bei den Weingütern Jurtschitsch und Allram zusammen. Ins Glas kommt mit dem Wein auch die Lust, mehr über die regionalen Wurzeln und die Natur zu lernen.

„Was macht das Kamptal einzigartig? Wie können wir Weine machen, die woanders nicht funktionieren?“ Fragen wie diese beschäftigten Alwin Jurtschitsch, als er nach Lehrjahren von Australien bis Frankreich zurück ins Waldviertel kam. Also verbrachte er Zeit zwischen den Weinreben und beobachtete: Wie schaut die Geologie aus, wie klimatische Einflüsse? Welche Reben haben die Eltern und Großeltern auf welche Hügel gepflanzt – und macht das in Zukunft noch Sinn? 16 Jahre ist es nun her, dass Jurtschitsch den Familienbetrieb in Langenlois übernahm. Noch immer ist er überzeugt: Winzer:innen müssen in den Weingarten gehen, dort das spezifische Terroir erleben – und dann den Wein für sich frisch interpretieren. So beschloss er mit seiner Frau Stefanie, zum einen Weine mit traditioneller Kamptal-Stilistik zu machen – elegant, mineralisch, finessenreich – und zum anderen neue Traditionen zu starten.

Wurzelwerk und Winzers Beitrag

„Von einem Hügel zum nächsten ist hier der Boden anders. Eine spannende Spielwiese“, sagt er heute. Am einzigartigsten Weinberg des Kamptals, dem Heiligenstein, wachsen bekannte Rieslinge. Auch Jurtschitschs Reben wurzeln dort in einem Boden, den man sonst nirgends findet: dem Zöbinger Perm, einer geologischen Formation vulkanischen Ursprungs. „Ein ausdrucksstarkes Terroir“, so Jurtschitsch, das komplexe Weine hervorbringe. Sogar, wenn diese nicht im Kamptal vinifiziert wurden, wie ihr Projekt „Wurzelwerk“ beweist. „Wir wollten nicht in der Tradition einschlafen, sondern Forschung betreiben“, erklärt der Winzer, mit welchem Gedanken das Projekt 2012 startete. Seitdem tauschten sie mehrere Jahre mit zwei deutschen Weingütern Lesegut aus, um Rieslinge aus drei Lagen zu produzieren und dabei eigene Trauben in fremden Kellern verarbeiten zu lassen. Unlängst hätten sie so einen Wurzelwerk-Wein blind verkostet und tatsächlich die Lage Heiligenstein geschmeckt. Herausgefunden hatten sie aber vor allem: Terroir endet nicht im Weingarten. Ebenso wichtig ist die Zeit im Keller und der Beitrag der Winzer:innen.

„Cool Climate“

Ein „riesiger Erfahrungsschatz“ war Wurzelwerk für die Jurtschitschs allemal: Sie lernten nicht nur den Heiligenstein besser kennen und sahen, wie viel Individualität möglich ist und was der Herstellungsort mit dem Wein macht. Sie lernten auch, wie groß die Kraft des Terroirs der Trauben ist – das sich auch wandelt. Denn das Klima ändert sich ja auch: „Aber genauso kann man die Qualität der Böden verändern“, meint Jurtschitsch, der das Weingut gleich zu Beginn auf biologische Bewirtschaftung umgestellt hat. Mittlerweile reicht das vom eigenen Kompost und Kuhmist als Humus über Vogelnistkästen, einer blühenden Begrünung und Pfirsichbäumen, um Diversität zu fördern, bis zu Schafen, die zwischen Reben grasen. Künftig will man ohne Bewässerung auskommen und so bei Wasserarmut auf den Boden Acht geben. Die Aussichten im Kamptal seien zum Glück selbst im Klimawandel gut: „Im Vergleich ist es immer noch eine kühle Region.“

„Cool-Climate“: ein großes Thema in der Weinkultur. Das Kamptal weist die besten Voraussetzungen dabei auf. Hier, wo das trocken-heiße pannonische Klima untertags Aroma in die Trauben bringt, in der Nacht das rau-kühle Klima des Waldviertels für lebendige Säure im Wein sorgt. Wo nicht nur der Boden des Heiligensteins, sondern auch am Gaisberg, Wechselberg und anderen Lagen besonders ist. Das weiß unweit von Langenlois zudem Lorenz Haas-Allram. „Die Weingärten und der Boden, auf dem die Reben wachsen, sind unser größtes Kapital“, sagt der Jungwinzer, der in Straß mit seiner Schwester Magdalena am Familienweingut regionaltypische Weine in vierter Generation macht. Deren Qualität hat mit den renommierten Lagen zu tun, ist er sich sicher. „Wir wollen noch gezielter Wein aus diesen Herkünften herausarbeiten und so die Typizität des Ortes schmeckbar machen“, sagt er und betont: „Dabei hilft uns die biologische Bewirtschaftung, weil wir so das Terroir noch unverfälschter in die Flasche bekommen.“

Wandern durch bunte Weingärten

Zurzeit ist das größte Projekt bei Haas-Allram deshalb, das Ökosystem Weingarten bunter zu gestalten, erzählt er: „Wir sind uns bewusst, dass wir die Natur stören, wenn wir Landschaft kultivieren.“ Auch ihr Weinbau soll respektvoll sein, sie achten auf Biodynamik und den Naturkreislauf. Und so wie ihre Eltern dabei Vorarbeit geleistet hätten, wollen sie heute schon die Grundlagen für eine grüne Zukunft im Waldviertel legen. Beim Umherstreifen über die mit Reben bewachsenen Hügel auf den Weinwanderwegen des Kamptals sieht man somit auch bei den Weingärten des Weinguts Allram Vogelnester, bunte Bäume und verschiedenste Kräuter zwischen den Weinstöcken.

Letztere spielen einem weiteren Projekt von Haas-Allram in die Karten: Die Botanicals im Wildstueck-Gin, den er mit einem Freund kreiert, kommen von der Weingartenbegrünung: „Ein schöner Synergieeffekt.“ Seine Liebe zum Gin entdeckte er während des Studiums in Madrid. Nun tüftelt er daran als Nebenprojekt. Zweifelsohne ist es sonst der Wein, in den der Winzer seine Arbeit steckt. Ihr Weingut wurde in den letzten Jahren erweitert. In einer zugehörigen Jugendstilvilla im Ortskern, die von der Familie Allram liebevoll renoviert wurde, kann man auch übernachten. Zum Beispiel, wenn man nach einer Verkostung, bei der man versuchen kann, das Klima und die Böden herauszuschmecken, noch ein wenig bleiben und nachspüren möchte – dem Urgestein „Gföhler Gneis“, den kalkhaltigen Lössböden, den Lehmböden bis zum Perm. Oder der Handschrift der Winzer:innen, sagt Haas-Allram: „Terroir bedeutet für uns Weinberg und der Mensch, der mitwirkt.“

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