Den Wald vor der Linse

Im Waldviertel verstecken sich letzte Urwälder und einmalige Naturlandschaften – Umweltschützer und Fotograf Matthias Schickhofer weiß, wo sie zu finden sind.

Eigentlich wollte Matthias Schickhofer immer Künstler werden. Anstelle der Kunst hat er sein Leben dem Schutz der Natur verschrieben. Heute ist er erfolgreicher Naturfotograf, überzeugter Umweltschützer und mehrfacher Buchautor.  

Herr Schickhofer, Sie waren über 15 Jahre lang als Pressesprecher und Kampagnendirektor für Greenpeace Österreich zuständig. Wieso liegt ihnen Naturschutz so am Herzen? 

Matthias Schickhofer: Ich bin in Zwettl im Waldviertel aufgewachsen und habe meine halbe Kindheit in den Wäldern vor der Haustüre verbracht. Das war eine unheimlich prägende Zeit – unzählige Stunden und Tage bin ich durch die Wälder gestreift, um zu entdecken, zu beobachten und zuzuhören.

 

Was haben Ihnen die Bäume denn erzählt? 

Dass sie schon viel länger hier sind als wir Menschen. Ich sehe es als meine Aufgabe, mich für die Bewahrung dieses Naturerbes zu engagieren: Wir müssen jetzt handeln und von naturnahen Mischwäldern jeden Quadratmeter, der intakt und widerstandsfähig ist, erhalten. Rund 50 % der Wälder sind mittelfristig in Gefahr, durch die zunehmende Hitze und Dürre zu kollabieren, dabei sind sie der wichtigste Wasserspeicher in der Landschaft. Die von Wäldern ausgehende Verdunstung führt zu Wolkenbildung und Niederschlag – wo die Wälder verschwinden, dort trocknet die Landschaft aus und heizt sich noch mehr auf! 

Wie gesund sind denn die Wälder Österreichs? 

Offizielle Daten attestieren ihnen keinen guten Zustand – das gilt aber nicht nur für Österreich, sondern auch für den Rest von Europa. Wir haben unsere Wälder sukzessive ausgebeutet und abgeholzt. Viele der ursprünglichen Waldlandschaften wurden durch Nadelholzforste ersetzt. Dort hört man keine Vögel singen – das sind oft keine Wälder mehr, sondern Plantagen!  

Wie stark ist das Waldviertel davon betroffen? Mit über 190.000 Hektar Wald, das entspricht 42 % Anteil an der Gesamtfläche der Region, zählt es schließlich zu den waldreichsten Gegenden Österreichs.  

Naturschutz hat in der touristischen Entwicklung des Waldviertels einen integralen Stellenwert und im Bewusstsein der Bevölkerung hat zusätzlich ein Umdenken stattgefunden: Die Menschen wollen eine intakte Naturlandschaft sehen und erleben. In den letzten Jahren konnten wir mehrere touristische Projekte wie beispielsweise den „Bärentrail“ oder das Flächenprogramm „Naturerlebnis Waldviertel“ realisieren. Das schafft neue, attraktive Urlaubsmöglichkeiten und sensibilisiert für den Schutz des Naturraums. Wer sieht und erlebt, was es zu schützen gilt, wird sich auch dafür einsetzen. Gesellschaftspolitisch betrachtet ist es allerdings immer noch eher so: Naturschutz ist ein Hobby. 

Während er für Sie nicht nur zur Berufung, sondern auch Ausdruck Ihrer künstlerischen Arbeit wurde. Als Fotograf sind Ihnen die Urwälder Europas ein beliebtes Motiv, im Waldviertel kann man mit Ihnen sogar auf geführte Fotosafari gehen. Woher stammt Ihr Blick für die Natur? 

Ich wollte eigentlich immer Künstler werden. Mein Vater war Kunsterzieher und Maler. In unserer Garage hatte er sein Atelier und eine eigene Druckerpresse. Wir haben viel Zeit zusammen dort verbracht – er hat mir gezeigt, wie Bildkomposition funktioniert und mir meine erste Kamera geschenkt. Mit der bin ich dann durch die Wälder gestreift und habe allerlei Motive wie grafische Strukturen in der Natur zu erkennen gelernt. Ich will die Schönheit dessen, was ich sehe, festhalten. Seitdem ich freiberuflich arbeite, ist diese Leidenschaft zum Beruf und zu einem meiner Standbeine geworden. 

Zuletzt erschien Ihr Bildband „Wildes Waldviertel“. Wie viel echte Wildnis findet sich noch in den Wäldern des Waldviertels? 

Es gibt vereinzelte Flächen, die man noch als urwaldartig – also ein vom Menschen unberührtes Ökosystem, das sich über Tausende von Jahren entwickelt und aufgebaut hat, bezeichnen kann. Im Nationalpark Thayatal, im oberen Lainsitztal, im mittleren Kamptal oder im Kremstal verstecken sich kleine Urwälder, die wichtige Habitate für fast verschwundene Insekten, Vogelarten, Pilze, Moose oder Flechten sind. Das Waldviertel hat mehr Wildnis zu bieten, als man meinen möchte: Von den Hochmooren – auch in der Litschauer Gegend – über Schluchten, Wildbäche bis hin zu unterirdischen Wasserfällen und erhabenen Aussichtsplätzen. Um Naturparadiese zu erleben, muss man nicht an den Amazonas reisen oder nach Kanada fliegen. Oft übersieht man die Schönheit zuhause vor der Haustüre – dabei müsste man nur die Augen offenhalten.  

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