Renaissance der Tradition

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Kaffee-Geschirr „Daisy“ vom Wilhelmsburger „Lilien-Porzellan“ ist nach 60 Jahren immer noch heiß begehrt.

Seit den 1960er Jahren wird der Kaffee in und um St. Pölten gerne im Kaffee-Service „Daisy“ von „Lilien-Porzellan“ aus Wilhelmsburg serviert. Ähnlich wie bei unseren bisherigen Protagonist:innen ist es auch der ikonischen Geschirrserie „Daisy“ gelungen, sich einen Namen weit über die Stadtgrenzen hinaus zu machen. 

Bereits 1795 begann am Standort Wilhelmsburg die Produktion von Steingut. Trotz zahlreicher Herausforderungen, wie Besitzerwechsel und Enteignungen während der NS-Zeit, hat Wilhelmsburg vor den Toren St. Pöltens eine prägende Rolle in der Entwicklung der österreichischen Keramikproduktion eingenommen.

Ein besonderes Merkmal ist das eigene Wasserkraftwerk, das 1903 errichtet wurde. Nach einer sorgfältigen Renovierung versorgt es den Standort noch heute mit umweltfreundlicher Energie aus dem vorbeifließenden Mühlbach, was die immer schon tiefe Verbindung zwischen Tradition, Innovation und Nachhaltigkeit von „Lilien-Porzellan“ unterstreicht.

Unter den vielen beliebten Serien, die das Lilien-Logo zieren, sticht besonders die farbenfrohe Serie „Daisy“ hervor. 1959, unter der Leitung von Conrad Henry Lester, wurde diese pastellfarbene, konisch geformte Serie in Wilhelmsburg eingeführt. Lester, der aus seinem amerikanischen Exil während der NS-Zeit zurückkehrte, brachte viele Ideen und Eindrücke mit. Mit der Kollektion „Melange“ wurden verschiedenfarbige Einzelteile von „Daisy“ zu einem bunten und lebendigen Geschirrservice kombiniert – etwas, das bis dato einzigartig war und schnell zu einem beliebten Klassiker im In- und Ausland avancierte. Die enge Kooperation der Fabrik mit Künstler:innen, etwa der Wiener Werkstätte, war für die damalige Zeit besonders.

Trotz der Verlegung der Produktion nach Karlsbad, Tschechien, im Jahr 1997 und dem Auslaufen der ursprünglichen „Daisy“-Farben bleibt der Geist der „Daisy“-Serie in Wilhelmsburg lebendig und eindrucksvoll erlebbar – dank Manfred Schönleitners Engagement wird dem bedeutenden Erbe dieser Produktionsstätte Tribut gezollt. In liebevoller Detailarbeit hat er gemeinsam mit seinem vierköpfigen Team über viele Jahre unzählige Original-Objekte von „Lilien-Porzellan“ zusammengetragen und sie im 2009 eröffneten Geschirrmuseum Wilhelmsburg stimmungsvoll inszeniert – von übereinander gestapelten Kaffeetassen in unterschiedlichsten Farbnuancen bis hin zu einem mit „Daisy“-Geschirr gedeckten Tisch in einer Original-Küche aus den 1960ern.

Der Gründer und Museumsdirektor hat jedoch noch größere Pläne: Gemeinsam mit seinem Team strebt er danach, die Porzellanproduktion in Wilhelmsburg neu zu beleben. In Zusammenarbeit mit der Designerin Petra Wieser von „Mindful Design & Craft“ wird an der Revitalisierung der lokalen Porzellanherstellung gearbeitet. Ein weiteres Ziel ist die Entwicklung eines Workshop-Programms, das den traditionsreichen Geist des Wilhelmsburger Porzellanhandwerks wachhält. Diese Workshops sollen Techniken vermitteln und das Bewusstsein sowie die Wertschätzung für die Porzellanherstellung stärken. Bereits jetzt nutzen Studierende der New Design University St. Pölten (NDU) die historischen Produktionshallen in Wilhelmsburg für ihre Keramikprojekte und profitieren von der einzigartigen Ausstattung an Maschinen, wie den imposanten Glasurmühlen, wodurch eine Brücke zwischen Tradition und Moderne geschlagen wird.

Wer in die reichhaltige Geschichte von „Lilien-Porzellan“ eintauchen möchte, sollte dies am besten bei einem Besuch im „Geschirrmuseum Wilhelmsburg“ tun. Nach einem inspirierenden Museumsbesuch lädt die 2023 eröffnete Werksküche zu einer gemütlichen Kaffeejause ein – selbstverständlich serviert im originalen „Daisy“-Geschirr.