„Ein guter Ort für Co-Kreationen“
Andi Fränzl gestaltet das Kulturleben St. Pöltens vielerorts und besonders im Verein LAMES/Sonnenpark mit. Ein Gespräch über die kulturelle Stadtentwicklung.
Er war Sänger der Band Bauchklang, gründete den interdisziplinären Verein LAMES im Sonnenpark mit und prägt aktiv die Kulturszene der Stadt: Andi Fränzl kennt das St. Pöltner Kulturleben wie kaum ein anderer. Vom Stellenwert der kulturellen Infrastruktur für die Stadtentwicklung erzählt er uns ebenso wie von Impulsen durch das neue Festival Tangente und der Wichtigkeit der freien Szene.
Du hast früh die Kulturszene in St. Pölten mitgestaltet. Wie wurdest du Teil von ihr und was machst du heute im Kreativbereich?
Andi Fränzl: Ich bin in Karlstetten, in St. Pölten-Land, aufgewachsen. Als Schüler im musischen BORG St. Pölten war ich schon als DJ und in Bands aktiv und habe interdisziplinäre Abende mit dem Verein Proton im Gasthaus Koll gestaltet, dem jetzigen Vinzenz Pauli. Oft ist es der Raumbedarf, der entscheidet, wie sich eine Szene treffen und vernetzen kann. Weil es innerstädtisch kaum Orte dafür gab, habe ich 1995 aus einer Leerstandnutzung LAMES mitgegründet: Das steht für La Musique et Sun und war erst ein Künstler:innenkollektiv, ehe es 1999 als Verein im jetzt bekannten Sonnenpark am Spratzerner Kirchenweg weiterging. Dort bin ich heute für das künstlerische Programm zuständig. Außerdem bin ich Bildender Künstler und DJ, kuratiere verschiedene Veranstaltungsformate und mache Musik.
Du warst mit der Band Bauchklang international unterwegs und hast in Wien an der Universität für angewandte Kunst studiert. Warum bist du wieder in St. Pölten, was bietet die Stadt für Kulturmenschen?
St. Pölten hatte schon immer eine gute Musikszene. Und es gibt Kultur aus diversen Feldern, ob Film im Cinema Paradiso, internationale Produktionen im Festspielhaus oder zum Beispiel eine schöne Mischung aus Gastronomie, Veranstaltungen und Naherholung bei der Seedose. Ich glaube, dass die Naturnähe – an der Traisen und im Umland – in Verbindung mit dem großen Möglichkeitsraum die Stadt ausmacht: Hier ist Gestaltung noch möglich. Die kurzen Wege in der Stadt sind dabei von Vorteil. Die Nähe bietet Chancen, Felder zu verbinden, über den Tellerrand zu schauen und Projekte zu entwickeln: ein guter Ort für Co-Kreationen. Meine Base ist definitiv der Sonnenpark. Der allein bietet einen spannenden Zukunftsraum, wo experimentelle Kultur sich mit Natur trifft, man einander begegnet und in einer Community an Ideen feilt. So einen Ort gibt es in dieser Form nicht oft – auch europaweit. Wir haben im Sonnenpark auch das mobile Stadtlabor, ein innovativer Containerbau der TU, das vom Karlsplatz in Wien den Weg zu uns gefunden hat und jetzt für Veranstaltungen und Workshops genutzt wird.
Womit wartet der Sonnenpark noch auf?
Es ist ein vier Hektar großes Grundstück, auf dem es neben den Vereinshäusern von LAMES/Sonnenpark zwei Gemeinschaftsgartenprojekte und ein Klimaforschungslabor für Schüler:innen gibt. Wir sind offen für alle, von Pensionist:innen bis zu schräger Subkultur. Es geht um Skill-Sharing, Vermittlung von gesellschaftlich relevanten Themen und natürlich um Kunst und Kultur, die auf Ökologie und Soziokultur treffen. Hier kann man sich abseits des Mainstreams aufhalten und aktiv mitgestalten. Auch externe Gruppen sind tätig. Es gibt im Garten Lesungen vom Landestheater Niederösterreich, Kooperationen mit der New Design University, dem Campus & City Radio der FH, Food-Sharing-Gruppen sowie sozialen Einrichtungen. Unser eigenes Paradeformat ist der Parque del Sol: Ein Symposium/Festival im Sommer, bei dem interdisziplinär und prozesshaft an Kunstprojekten gearbeitet wird. Es findet jedes zweite Jahr abwechselnd mit dem Sonnenpark-Fest statt und mündet in einer großen Präsentation mit einem Fest! Übers Jahr haben wir Ausstellungen, Konzerte und andere Events.
Wo sind darüber hinaus Orte der freien Szene, wo entwickelt sich das Kulturleben weiter?
Als Konzertlocation sind der Freiraum St. Pölten und das Warehouse zu erwähnen. Auch das Cinema Paradiso macht wunderbare Konzerte. Ansonsten gibt es Formate wie das Höfefest oder das Streetart-Projekt BATjam an der Traisen. In der Linzerstraße ist im Löwinnenhof* der Startraum untergebracht, der aus der Bewerbung um die Europäische Kulturhauptstadt 2024 hervorging. Auch wenn sich St. Pölten im Bewerbungsverfahren nicht durchgesetzt hat, entstehen dort, gehosted vom Verein Kulturhauptstart, Ideen für Zukunftsprojekte und ein reges niederschwelliges Programm. Durch diese Bewerbung ist eine Motivation durch alle Fasern der Stadt gegangen, die Eigenständigkeit beizubehalten und darauf aufbauend neue Wege zu gehen, mit Mitteln der Kultur das Leben weiter anzureichern. Die Stadt wächst enorm – neben Hochkultur auch ein abwechslungsreiches Programm der alternativen Szene zu haben, ist wichtig!
Neue Impulse wird das Festival Tangente St. Pölten setzen, das auch aus der Kulturhauptstadt-Bewerbung hervorgegangen ist. Wie bist du beteiligt?
Ich bin als Kurator unter anderem für das Format StadtLandFluss zuständig: Eine Zusammenarbeit der freien Szene mit Institutionen und anderen Einrichtungen im Regierungsviertel. Beim Projekt Visionale setze ich Street Art in Verbindung mit Nachhaltigkeit. Außerdem berate ich und bringe die tollen Künstler:innen St. Pöltens näher. Beim LAMES/Sonnenpark finden eine Klimakonferenz und Diskursformate statt, er ist auch eine Station bei einem internationalen Kunstparcours entlang der Traisen und des Mühlbachs.
Welche Chancen siehst du im Festival für einen kulturellen Schub und die Stadtentwicklung?
Mein Wunsch: Dass das Festival Tangente neben der internationalen Gegenwartskunst, die es bietet, die lokale Szene gut mitnimmt. Sowie die kulturelle Infrastruktur nachhaltig auf ein neues Level hebt: Zum Beispiel am autofreien Domplatz, wo im Zuge der Umgestaltung Kunst im öffentlichen Raum zu sehen ist! Durch die Kultur entstehen neue Räume, die von der Region genutzt werden können: etwa das KinderKunstLabor. Ich sehe das Potenzial, die Innenstadt noch mehr als Möglichkeitsraum zu begreifen – von Radwegen bis Leerstandnutzung – und Begegnungsräume zu schaffen. Auch bei den Schwerpunkten der Tangente – Ökologie, Erinnerung und Demokratie – geht es darum, wie wir einander begegnen. In so einer mittelgroßen Stadt kann man einander besser treffen: Das ist eine große Chance.