„Ich geh‘ gern in die Röhren hinab.“
Merkliste aufrufen merkenWer das Weinviertel auf dem Rad entdeckt, wird an den „Dörfern ohne Rauchfang“ nicht vorbeikommen. Ein Einblick in die Kellergasse Maulavern.
Josef Diem hat sein gesamtes Leben in seiner Heimat Zellerndorf verbracht und stets dem Weinbau gewidmet – niemand weiß über die Geschichte der Kellergasse Maulavern besser Bescheid als er. Der 58-jährige Weinviertler nimmt uns mit auf eine Reise tief unter die Erde, wo die Trauben einst gepresst wurden und noch heute der Wein in Fässern schlummert.
Herr Diem, Sie sind seit über 30 Jahren Weinbauer und einer der letzten Betriebe in Zellerndorf, der seinen Wein in der Kellergasse Maulavern lagert. Was zeichnet das Kulturgut „Kellergasse“ für Sie so aus?
Kellergassen sind zeitlose Relikte einer vergangenen Epoche. Unser Keller ist zirka 400 Jahre alt, schon mein Großvater hat seine Weine dort gelagert. Ich habe den Weinbauernhof in dritter Generation übernommen und werde ihn in ein paar Jahren an meinen Sohn Josef übergeben. Von den über 80 Weinkellern in unserer Kellergasse gibt es nur mehr drei Betriebe, die ihren Wein unter der Erde lagern. Die meisten haben ihre Produktions- und Lagerstätten in Hallen mit Kühlaggregaten übersiedelt, wo es sich praktischer und hygienischer arbeiten lässt. Ich gehe aber immer noch gerne in die Kellerröhre hinab und genieße die Stille und Ruhe dort unten. Wenn man in den Kellergewölben zusammensitzt, hat man das Gefühl, die Zeit bleibt einfach stehen.
Über der Erde: Wenn man so durch die pittoresken Kellergassen schlendert, erschleicht einen ebenso das Gefühl der Zeitlosigkeit.
Die meisten Kellergassen sind ja außerhalb der Ortschaften an Hohlwegen entstanden, an deren Böschungen sich die Presshäuser aneinanderreihen. Keines der Häuser hat einen Wohnraum, ein Bad oder eine Küche, ihr einziger Nutzen bestand in der Weinkelterung und anschließenden Lagerung. Die Häuser wurden nicht beheizt – deshalb auch die Bezeichnung „Dörfer ohne Rauchfang“. Die Kellergasse Maulavern liegt etwas untypisch auf einem Hügelrücken, weshalb die Keller sehr tief in die Erde gegraben wurden. Unseren Keller erreicht man über 40 Stufen nach unten, er liegt also gute vier Meter unter der Erde – in Retz gibt es aber Keller, die bis zu 20 Meter tief in die Erde reichen und durch ein „Labyrinth“ von rund 20 km Länge verbunden sind.
Maulavern zählt mit 1,2 Kilometern zu den längsten und ältesten im Weinviertel. Was gibt es in der Kellergasse alles zu entdecken?
Maulavern ist sehr ursprünglich erhalten und von Weingärten umgeben. Im Gegensatz zu anderen Kellergassen sind die Presshäuser hier nie zu Wohnhäusern umgebaut worden, optisch hat sich in den letzten Jahrhunderten also wenig verändert: Die Hauswände sind weiß, die Dächer mit Ziegeldeckung und die Türen mit typischen Weinviertler Mustern wie Sternen, Sonnen und Rauten versehen. In der Mitte der Gasse findet sich bei uns, wie in Pillersdorf oder Platt, die Radlerrast, wo Spaziergeher, Wanderer und natürlich auch Radfahrer ihren Durst löschen können. Entlang der Kellergasse stehen drei Feldmarterln, da ein Pilgerweg einst hier durchgeführt hat. Am Anfang der Gasse gibt es außerdem ein Kellermuseum, am Ende wartet wiederum das Rankl-Kreuz, das am Ort der ehemaligen Gerichtsstätte von Zellerndorf steht.
Welche Weine werden denn in Zellerndorf angebaut?
Grüner Veltliner ist unsere Hauptsorte, ganz klar. Ich denke, 50 % aller Weinreben in Zellerndorf sind Veltliner, daneben haben wir viele verschiedene Weißwein-Sorten: von Sauvignon Blanc über Gelber Muskateller bis hin zu Chardonnay. In Sachen Rotwein war einst der Blaue Portugieser stark vertreten, zu meinem persönlichen Bedauern ist er in den letzten Jahren vom Zweigelt abgelöst worden. Die PIWI-Weine, die aus Trauben von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten gekeltert werden, sind aber auch bei uns immer mehr im Kommen. In Zukunft werden sie sicherlich noch größere Anteile ausmachen, sie sind nicht nur umweltschonend, sondern auch kostensenkend und nicht so arbeitsintensiv. Bei den Kellergassenfesten wird die Nachfrage nach ihnen auch immer höher.
Apropos Kellergassenfeste: Die ziehen ja nicht nur Einheimische, sondern auch viele Radfahrer:innen von nah und fern an.
Absolut! Kellergassen haben nicht nur kulturhistorische, sondern auch touristische Bedeutung: Neben den offiziellen Kellergassenfesten werden viele Presshäuser für Heurigenveranstaltungen und natürlich auch zu Führungszwecken genutzt. Bekannterweise ist das Weinviertel eine großartige Raddestination, beispielsweise die Weinviertler DAC-Radtour oder die Weinviertler Kellergassen-Radrunde führen alle durch unsere Kellergasse hindurch. Wer das Weinviertel also auf zwei Rädern erkundet, wird an Zellerndorf nicht vorbeikommen – wir heißen alle Radbesucher:innen in der Kellergasse Maulavern, vor allem bei uns im Heurigen herzlich willkommen.