Sortenstolz und Slow-Food-Heuriger

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So schmeckt der Wienerwald.

Vom Königswein über einen solarstrombetriebenen Bioweinautomaten bis zur Heurigenwirtin des Jahres – der Wienerwald hält einiges an genussvollen Überraschungen bereit.

Schon im Mittelalter war es üblich, dass Winzer ihren eigenen Wein verkauften. Erst Kaiser Joseph II. jedoch erteilte „jedermann die Freyheit, die von ihm selbst erzeugten Lebensmittel, Wein und Obstmost, zu allen Zeiten des Jahrs, wie, wann und zu welchem Preise er will, zu verkaufen oder auszuschenken", und zwar im Jahr 1784. Noch bis Mitte des letzten Jahrhunderts brachte man sein Essen in den Heurigen selbst mit. Diese Zeiten sind vorbei: Heute gehört zu einem Heurigenbesuch auch die feste Grundlage dazu – entweder ganz klassisch in Form eines Buffets mit Aufschnitt, Aufstrich, Semmeln und Eingewecktem oder in Form von zünftigen, warmen Speisen. Unmittelbar an die österreichische Hauptstadt angrenzend, reiht sich im Wienerwald ein Betrieb an den anderen. Ob mit dem Fahrrad oder zu Fuß: Neben den Heurigen macht vor allem das aus Wäldern, Wiesen und Weingärten bestehende Naturerlebnis dessen Reiz aus – dafür gab es von der UNESCO die Auszeichnung Biosphärenpark.

#1 Tradition unter Zwetschkenbäumen: Weingut/Heuriger Drexler-Leeb, Perchtoldsdorf

Schon seit 1431 gibt es diesen Traditionsheurigen, in dem heute drei Generationen am Werk sind. Besonders stimmungsvoll sitzt man im Innenhof, in Sichtweite alter Zwetschkenbäume und einer Schirmplatane. Am Buffet warten saisonale Spezialitäten, im Glas die charaktervollen Erzeugnisse der Familie Drexler-Leeb. Nicht verpassen sollte man den Rotgipfler Ried Herzogberg mit seinen feinen Birnen- und Steinobstaromen

#2 Rotgipfler aus dem Eichenfass: Weingut Pferschy-Seper, Mödling

Hier ließ es sich schon Kronprinz Rudolf gut gehen: Die Wurzeln dieses Mödlinger Weinguts reichen zurück bis 1718. Alter schützt vor Fortschritt nicht: Im Jahr 2003 hat man auf Bio umgestellt. Regionale Landwirtschaftsbetriebe liefern die Produkte für das Heurigenbuffet der Familie Pferschy-Seper. Etwas ganz Besonderes ist der in kleinen Eichenfässern – das Holz dafür kommt aus dem Wienerwald – ausgebaute Rotgipfler.

#3 Regionaler Verkostungsmarathon: Gebietsvinothek Freigut Thallern, Gumpoldskirchen

Das imposante Freigut Thallern ist das zweitälteste Weingut Österreichs, seit 1141 wird dort ohne Unterbrechung Wein produziert. Schon aufgrund der behutsam restaurierten Architektur lohnt sich ein Besuch. Nach einem Rundgang durch die historischen Gemäuer geht es in die Gebietsvinothek. Über 200 Weine von 80 Winzer:innen laden dort zum Verkosten ein. Der Fokus liegt auf den autochthonen Sorten Rotgipfler und Zierfandler.

#4 Autochthon und biologisch: Weingut Gebeshuber, Gumpoldskirchen

Die von fossilem Muschelkalk geprägte Ried Student gehört zu den bekanntesten Lagen der Region. Von dort kommt ein Spitzenprodukt des in Gumpoldskirchen ansässigen Weinguts Gebeshuber. Winzer Johannes wirtschaftet nach biologischen Kriterien und darf stolz sein auf diverse Auszeichnungen. Neben den autochthonen Sorten Zierfandler und Rotgipfler gehören Pinot Noir und St. Laurent zum Repertoire.

#5 Bestes von der Slowfood-Wirtin: Heuriger Spaetrot, Gumpoldskirchen

Frühlingsrollen mit Frühlingskräutersalat, Schweinsbackerl-Gulasch und Ofenbratl vom Spanferkel: So kocht eine Heurigenwirtin des Jahres. Im Heurigen Spaetrot serviert Johanna Gebeshuber Gerichte aus besten Slowfood- und Bioprodukten. Kräuter und Gemüse stammen aus heimischem Anbau. Vom Gault Millau gab es dafür eine Haube, vom Falstaff gleich zweimal die Auszeichnung Heurigenwirtin des Jahres.

#6 Königswein und Holzbaumpresse: Weinbaumuseum Gumpoldskirchen

Im Zentrum von Gumpoldskirchen befindet sich das Weinbaumuseum. Dort gibt es den Königswein zu verkosten, die älteste geschützte Weinmarke Österreichs und eine 500 Jahre alte Holzbaumpresse zu bestaunen, nicht zu vergessen die bis in die 1940er zurückreichende Sammlung der Erzeugnisse aller ortsansässigen Weingüter. In der angeschlossenen Vinothek können Flaschen ab 1945 erworben werden.

#7 Schlafen und regional genießen: Weingut Hannes Hofer, Gumpoldskirchen

Vom Einfachen das Beste: Das Weingut Hannes Hofer gehört zu den Topbetrieben der Region. Das Speisenangebot des dazugehörigen Heurigen basiert auf regionalen Produkten und ist natürlich selbst gemacht. Dazu passt eine Cuvée aus den Sorten Zierfandler und Rotgipfler. Wer möchte, bleibt gleich über Nacht in der angeschlossenen Pension.

#8 Edelkäse und burgundischer Rotgipfler: Weingut Alphart am Mühlbach, Traiskirchen

Im Heurigen Alphart wird ordentlich aufgekocht: Cathi Alphart setzt auf Kräuter aus dem eigenen Garten und qualitative Grundprodukte und macht daraus Pastagerichte ebenso wie Roastbeef und Mehlspeisen. Ungewöhnlich für einen Heurigen ist die große Käseauswahl, mit Produkten des Elsässer Meisteraffineurs Bernard Antony. Zu all dem passt der Rotgipfler Ried Mandelhöh mit seiner burgundischen Opulenz. In den warmen Monaten sitzt man im mediterran blühenden Gast- oder im Wintergarten, in den kälteren in der gemütlichen Stube.

#9 Natural Wines und Bioweinautomat: Heuriger/Weingut Familie Auer, Tattendorf

Die Familie Auer beweist, dass Tradition und Moderne kein Widerspruch sein müssen. Zwei Natural Wines haben Matthias und Lukas im Programm, stilecht in der Steinzeugflasche. Außerdem haben die beiden Jungwinzer einen autark betriebenen Bioweinautomat im Weingarten aufgestellt. Produziert werden die Weine nach Biostandards und können direkt im Heurigen der Familie Auer verkostet werden.

#10 Mohnnudeln und Rotgipfler-Süßwein: Heurigenweingut Frühwirth, Teesdorf

Die Frühwirths legen bei ihren Weinen Wert auf Qualität und naturnahe Produktion. Das schmeckt man etwa an der Rotgipfler Beerenauslese, die zeigt, dass die autochthone Sorte auch für Süßwein perfekt ist. Ebenso schmeckt man es an den im Heurigen servierten Speisen, darunter eine Wildplatte mit hausgemachtem Zwetschkenchutney und Mohnnudeln.

#11 Genuss vom Schwesterduo: Schwertführer 35, Sooß

18 Hektar, je zur Hälfte weiß und rot, bewirtschaftet die Familie Schwertführer zwischen Baden und Sooß. Was daraus entsteht, lässt sich am besten in dem von den Schwestern Sigrid und Kerstin betriebenen Heurigen entdecken. Dort, zwischen Innenhof und modernem Innenraum, ist man ganz auf der Höhe der Zeit: Neben einem klassischen kalten Buffet und hausgemachtem Dinkel-Kamut-Brot warten auf die Gäste diverse vegetarische Speisen. Dazu passt der exotische Rotgipfler Dassy aus eigenem Anbau.