Ohne die Kraft des Flusses geht nichts

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Für die Schmiedekunst ist Wasserkraft unerlässlich. Das Hammerwerk Eybl in Ybbsitz arbeitet noch heute nach diesem Glaubenssatz.

Wenn man die Naturlandschaft des Mostviertels auf dem Ybbstalradweg erkunden und lokale Handwerkskunst schnuppern will, biegt man am besten bei Ybbsitz in Richtung Süden ab und folgt dem Flusslauf des Prollingbachs. Schon nach wenigen Kilometern Fahrt wird man ein dumpfes Hämmern vernehmen – es sind die Laute der Hammerwerke. Einer, der tagtäglich den Hammer schwingt, ist der 68-jährige Hammerherr Sepp Eybl.

„Über 500 Jahre ist der alt“, sagt Sepp Eybl und zeigt auf einen übergroßen Hammer. Wie ein mittelalterlicher Rammbock lehnt der wuchtige Holzhammer in der Mitte des Raumes. „Schwanzhammer nennt man die Maschine", erklärt Sepp mit Stolz, „der Stiel wird als Helb und der Kopf als Bär bezeichnet.“ Und unter dem gewaltigen „Bären“ blitzt und leuchtet es, wenn er auf das erhitzte Metall schlägt. Eybl sitzt seelenruhig davor auf einem alten Holzschemel und beobachtet, wie die Funken fliegen. Schutzbrille? Eybl hat keine. Er ist ein Schmied der alten Schule: „Am liebsten arbeite ich mit Handhammer, Amboss und aus eigener Muskelkraft.“ Mit dem feinen Unterschied, dass Eybl sich nicht, wie es für Schmiede im vorigen Jahrhundert üblich war, einem Gutsherrn unterwerfen muss. Seit über 25 Jahren ist der stämmige Schmied als freischaffender Metallkünstler in Ybbsitz im Mostviertel tätig. In einer Schmiede direkt am Ufer des Prollingbachs, der seit einem halben Jahrtausend die Hammerwerke der Ybbsitzer Schmiedemeile antreibt.

Bewahrung historischer Substanz

Schon als Kind hat Sepp Eybl mit Hammer und Meißel gespielt. Sein Vater, Werkzeugmacher, hat den Sohn von klein auf in die Werkstatt mitgenommen und ihm früh gezeigt, wo der Hammer hängt. An der Höheren Technischen Bundeslehranstalt in Waidhofen taucht der junge Sepp dann vollends in die Kunst der Metallverarbeitung ein, bevor er mit 21 Jahren die Schlossermeisterprüfung absolviert und zunächst in der Kunststoffproduktion Fuß fasst. „Da habe ich mich aber nie so richtig wohl gefühlt“, sagt Eybl, der lieber mit seinen Händen als hinter einem Schreibtisch arbeitet. Deshalb hat er später auch die alte Hammerschmiede in Ybbsitz erstanden und in über drei Jahren Arbeit liebevoll restauriert. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf die Erhaltung der ursprünglichen Substanz, schließlich steht das Gebäude unter Denkmalschutz – der Großteil der Maschinen im Inneren sind originalgetreu, die Köpfe der Schwanzhämmer stammen sogar aus dem 16. Jahrhundert. „Da erzählt jeder Hammer seine eigene Geschichte“, sagt Hammerherr Eybl und schlägt entschlossen auf das glühende Metallstück auf dem Amboss.

Auf Wasserkraft angewiesen

Insgesamt sieben Hammermaschinen finden sich im Inneren der Schmiede: Zwei Schwanzhämmer, drei Federhämmer und zwei Lufthämmer. In jedem Hammerkopf sind unterschiedliche Werkzeuge eingespannt, um Stahl in verschiedenste Formen zu bringen. „Das Grobe passiert mit den Maschinen, der Feinschliff passiert mit der Hand“, sagt Eybl, dessen Aufgabenbereiche vielseitig sind: von riesigen Skulpturen im öffentlichen Raum über kleinformatige Möbel- und Einrichtungsgegenstände, bis hin zu Repliken und restaurativen Auftragsarbeiten. Hergestellt wird alles in seiner Schmiede am Prollingbach, „denn ohne die Kraft des Flusses geht nichts.“ Auch wenn seine Maschinen nicht mehr direkt über Wasserräder angetrieben werden: Seitdem in den 1920er-Jahren in unmittelbarer Nähe der Schmiede ein Kleinwasserkraftwerk errichtet wurde, werden Eybls Maschinen auf elektrischem Wege mit Energie gespeist. Nach wie vor ist es aber so, „dass Wasserkraft für das Schmiedehandwerk unumgänglich ist.

Wer genau wissen will, wie im altehrwürdigen Hammerwerk Eybl gearbeitet wird, schaut am besten selbst vorbei: „Wenn die Hammertür offen ist, einfach reinkommen“, zeigt sich Eybl gastgeberisch. In letzter Zeit wird er oft von neugierigen Gästen in seiner Schmiede besucht. Nicht zuletzt deshalb, weil der Radweg von Ybbsitz aus direkt an der Schmiede vorbeiführt. „Da habe ich sogar Laufkundschaft“, lacht Eybl, der sein Wissen um die Kunst des Schmiedens gerne weitergibt. Von der Auswahl des Stahls über die Materialbehandlung am offenen Feuer bis hin zum selbstständigen Herstellen einfacher Klingen – Eybl bietet Kurse für Groß und Klein als auch für Ungeübte und Schmiedeprofis an. „Im Grunde ist das Schmieden von Stahl aber wie das Kneten von Plastilin“, sagt er abschließend. Und noch bevor man im Sattel sitzt und zurück nach Ybbsitz in die Pedale tritt, hört man bereits, wie Eybl wieder den Hammer schwingt. Nicht umsonst nennt man ihn auch den „Eyblhammer“.