Wo der Wald Wein und Obst prägt

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Im Stift Klosterneuburg erhält der durch den Wienerwald geprägte Wein die Zeit, die er braucht. Und er geht mit der Zeit: Die Weine werden als die Ersten in Österreich klimaneutral hergestellt und gekühlt.

Wein – eine Waldpflanze?

Heutzutage gedeiht der Wein in sorgfältig angelegten und lichten Weingärten. Doch wenn man auf eine Spurensuche nach den Ursprüngen des Weins geht, wird deutlich: Der Wein war einst eine Pflanze des Waldes. Er gedieh in Auwäldern und erreichte eine Höhe von bis zu 40 Metern. Im Wienerwald besteht diese innige Beziehung zwischen Wein und Wald auch heute noch. Seit mehr als 2.000 Jahren werden die Hänge des Wienerwaldes als Weinanbaugebiete genutzt, und schon die römischen Legionäre genossen den hier produzierten Wein.

Doch rund um das Stift Klosterneuburg ist das Verhältnis zwischen Wald und Wein noch enger: Das Waldklima beeinflusst die herausragende Qualität der Weine, und die Lagerung in Fässern aus Wienerwald-Eiche trägt zusätzlich dazu bei. Über 600 Jahre unterhielt das Stift Klosterneuburg eine eigene Fassbinderei, in der aus den majestätischen Wienerwald-Eichen Weinfässer hergestellt wurden. Heute werden die Fässer in einer der letzten verbliebenen Fassbindereien Österreichs im niederösterreichischen Ybbsitz hergestellt. Ihr Aroma liegt zwischen dem von französischen und amerikanischen Eichenfässern, wie uns Waldökologe Artur Cisar-Erlach auf einer Tour durch den Wienerwald erzählt hat.

Anderen heiligen Zwecken gewidmet

Mit hohen Fenstern, einem Kirchenschiff und einem jahrhundertealten Kircheneingang könnte man meinen, dass sich hinter diesen Türen ein historisches Gotteshaus verbirgt. Doch im Stift Klosterneuburg findet man hier überraschenderweise die Weinproduktion. Das einstige Presshaus war früher die Chorfrauenkirche des Augustiner Chorfrauen Klosters von Klosterneuburg. Im Jahr 1722 wurde die Kirche entweiht und „anderen heiligen Zwecken gewidmet“. Unter ebendiese anderen heiligen Zwecke fällt seither die Produktion der Weine des Stiftes Klosterneuburg. Seit über 200 Jahren wird die ehemalige Stiftskirche als Presshaus genutzt. Als wir im Inneren zwischen Stahltanks, Entreblern und Weinpressen stehen, können wir nur noch erahnen, dass hier einst geistige Aktivitäten stattfanden. Denn moderne Weintechnik hat hier längst Einzug gehalten.

Das perfekte Mikroklima für jede Rebsorte

Als das älteste und eines der größten Weingüter Österreichs hat das Stift Klosterneuburg das Privileg, Weinbau an vier verschiedenen Orten rund um den Wienerwald zu betreiben – mit jeweils unterschiedlichen Rebsorten, die an den jeweiligen Standorten besonders gut gedeihen. An den Hängen Klosterneuburgs profitieren Grüner Veltliner und Riesling von der kühlen Brise der Donau. Auf den Wien zugewandten Hängen des Leopoldsbergs fühlen sich Weißburgunder, Chardonnay und Pinot Noir besonders wohl. Sie gedeihen hier auf den Ausläufern der Kalkalpen prächtig. Im südlichen Wienerwald, dem Weinbaugebiet Thermenregion, entwickelt sich um Tattendorf der St. Laurent hervorragend, während in der Gegend um Gumpoldskirchen Zierfandler und Rotgipfler wachsen, die charakteristisch für diesen traditionsreichen Weinbauort sind. Seit über 900 Jahren betreibt das Stift bereits Weinbau – schon bei der Weihe der Stiftskirche im Jahr 1136 wurde Wein aus dem eigenen Weingut ausgeschenkt.

Klimaneutral dank Festungsmauern und Wienerwald

Nach der Weinherstellung werden die frisch gepressten Rebsäfte einen Stock tiefer in die ehemalige Krypta gebracht, die zum Gärkeller adaptiert wurde. Von dort aus geht es für die Reifung in den Wienerwald-Fässern bis zu weitere vier Etagen in die Tiefe, bis zum tiefsten Keller, der von meterdicken Festungsmauern umgeben ist und sich 36 Meter unter der Stiftskirche befindet. Diese Mauern wurden einst wie die einer Festung konzipiert: mit sechs Meter dicken Außenmauern, einem ein Meter breiten Zwischenraum und drei Meter dicken Innenmauern. Eine natürliche Klimaanlage – seit 300 Jahren wartungs- und energiefrei. Ursprünglich lag der Keller nicht in einer Tiefe von 36 Metern, sondern auf einer Ebene mit der damals näher gelegenen, noch unregulierten Donau. Doch nicht nur die wartungsfreie Klimaanlage der Festungsmauern, sondern auch der Wienerwald trägt heute dazu bei, dass das Stift Klosterneuburg das erste klimaneutrale Weingut Österreichs ist: Das Weingut bezieht seine Energie vor allem aus eigenem Holz aus dem Wienerwald.

Der Wienerwald prägt das Aroma

Seit der Klostergründung im Jahr 1114 wird hier nicht nur Wein, sondern auch Obst angebaut. 1402 ist das eigene Obstgut auf das gegenüberliegende Donauufer übersiedelt. Auf den lockeren, warmen und nährstoffreichen Donau-Schwemmlandböden gedeihen fast ausschließlich Apfelbäume. Wurden die Früchte einst zur Eigenversorgung des Klosters angebaut, werden sie heute zu sortenreinen Säften gepresst. Einmal mehr prägen hier der Wienerwald und die Donau den Geschmack: Der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht trägt zur besonderen Aromenausprägung der Sorten bei. Regelmäßig werden die Säfte in Blindverkostungen ausgezeichnet, weil sie die sortentypischen Aromen von Apfelsorten wie Cox Orange, Dalinette, Rubinette und Idared idealtypisch zum Ausdruck bringen. Wir kosten uns im idyllischen Gastgarten des Stiftsrestaurants „Leopold“ durch die unterschiedlichen Sorten. Wer die Weine und Apfelsäfte als kulinarisches Souvenir mit nach Hause nehmen möchte, hat in der stiftseigenen Vinothek die Gelegenheit dazu – dort finden Sie übrigens auch eine Vielfalt an Delikatessen regionaler Lebensmittelhandwerker:innen zum Mitnehmen.

#momentmahl: Die rundum sehenswerte Wienerwald-Tour

Viele Wege führen zu den Protagonist:innen der weiten Land-Küche.
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