Zeit für neue Traditionen
Merkliste aufrufen merkenSeit zehn Jahren lebt der spanische Künstler Daniel Domaika in Krems und bereichert die Kulturlandschaft. Ein Gespräch über Inspiration, Wehmut und das Uri.
Wo vor neun Jahren nur Schutt und Erde lag und sich Weinranken und Unkraut über Wände und Fenster rankten, befindet sich heute einer der spannendsten Orte der Stadt: das Atelier von Maler, Bildhauer und Performance-Künstler Daniel Domaika. Seit er den Keller am Minoritenplatz in Stein, einem Stadtteil von Krems an der Donau, saniert und mit seinen Kunstwerken bestückt hat, zog wieder Leben in das Jahrhunderte alte Haus – ja manche würden gar sagen: in das gesamte Viertel.
Herr Domaika, Sie kommen ursprünglich aus Navarra, einem Weinbaugebiet im spanischen Baskenland. Was verschlug sie hierher nach Krems?
Daniel Domaika: Es ist ganz einfach: Ich kam der Liebe wegen. Ich lernte meine Frau am Jakobsweg kennen und sie nahm mich sozusagen mit heim.
Können Sie sich noch erinnern, was Ihr erster Eindruck von Krems war?
Ich weiß noch, als ich hier ankam. Es muss später Nachmittag gewesen sein, ich saß an der Donau, trank gerade Kaffee, aß dazu mein erstes Schwarzbrot mit Butter und dachte: Dieser Ort hat eine besondere, eine gute Energie. Ich drehte mich also zu meiner Frau und sagte ihr, dass ich mir vorstellen könnte, hier zu bleiben. Und das tat ich auch. Heute leben wir als Familie mit unseren zwei Kindern hier.
Gibt es Situationen, in denen Sie die Wehmut packt und Sie Heimweh haben?
Eigentlich nicht. Früher war ich wie ein Schmetterling, der von einem Platz zum nächsten flog. Meine Großmutter sagte immer: „Wenn du dich gut fühlst, bleib. Wenn nicht, dann geh sofort.“ Meine Familie und ich, wir fühlen uns wohl hier in Krems. Nicht nur, weil die Stadt wirklich schön ist, sondern auch, weil sie eine ideale Größe hat.
Wie würden Sie die Kunstszene hier beschreiben und inspiriert sie diese?
Krems ist eine Kulturstadt, so viel steht fest. Hier leben und wirken etablierte Künstler:innen, wie etwa Günter Wolfsberger oder Leo Zogmayer. Und es gibt die Kunstmeile mit großartigen Museen wie der Landesgalerie Niederösterreich oder der Kunsthalle Krems; aber auch Lokale, die von Künstlerinnen gestaltet wurden, wie das Schmids zum Beispiel und etliche Galerien. Es sind aber keine speziellen Orte, die mich inspirieren, es sind eher Situationen, Menschen und Gedanken. Die Ideen kommen dann spontan und auch überall.
Welche Rolle spielt die Umgebung für Ihre Kunst?
Ich begreife die Welt als eine Art Werkstatt, jeder Ort gibt dir ganz eigenes Werkzeug in die Hand, das man auf unterschiedlichste Art nutzen kann. Jeder Ort hat eine eigene Ausstrahlung und ich versuche, das für mein künstlerisches Schaffen zu nutzen.
Welche Ausstrahlung, würden Sie sagen, hat die Wachau?
Für mich hat die Region etwas Mediterranes. Das liegt einerseits an der Landschaft, dem Wasser und den grünen Weinbergen. Andererseits hat das mit dem offenen, geselligen Miteinander zu tun: der Wein, die Musik, die Mundart und dann die Heurigen, die einem eine herzliche, familiäre Atmosphäre vermitteln. Das ist schon etwas ganz Besonderes.
In Ihren Werken spielen neben Formen und Farben vor allem Materialien eine wichtige Rolle.
Das stimmt und auch da gilt wieder: Jede Region ist in Bezug auf ihre Materialien einzigartig und gibt etwas anderes her, wobei man sagen muss, dass die Wachau diesbezüglich besonders ergiebig ist. Hier gibt es die unterschiedlichsten Gesteinsarten, Erde, fruchtbares Land, viel Grün und natürlich das Wasser. Interessant war auch mit Ton und Keramik zu arbeiten – solche Materialien in einem Ofen zu brennen, war beispielsweise neu für mich. Ich mag es einfach, neue Konsistenzen und ihre Beschaffenheit kennenzulernen, oft handelt es sich dabei auch um Alltagsgegenstände. Momentan beschäftige ich mich zum Beispiel mit Bauschaum und erwäge, daraus eine Skulptur zu formen. Prinzipiell kann man sagen: Ich arbeite mit dem, was ich vorfinde.
Auch Ihre performative Kunst spiegelt verschiedene kulturelle Einflüsse wider. Sie sind etwa der Schöpfer von Uri, dem ersten Wachauer Wesen, dem man in der Vorweihnachtszeit in Krems und Stein begegnen kann. Was kann man sich darunter vorstellen?
Das Uri ist eine Mischung aus vielen Wesen. Es ist, wenn man so will, eine Fusion aus ländlichen, europäischen Traditionen. Es hat etwas von einem Momotxorro oder Txatxo, einem Charakter des baskischen Karnevals, es ähnelt auch der Familie des Krampus, wie wir ihn aus der Tiroler Fasnacht kennen und natürlich hat er auch was aus der Wachau. Seine Maske etwa, die eine Marillenzistel ist, oder die traditionelle Steinfeder. Und Uri, der Name, ist Baskisch und bedeutet übersetzt so viel wie Wässerchen – und ist eine Anspielung auf die Donau. Die Idee dahinter war, dass man ein Wesen kreiert, das im Advent kommt und vor dem sich die Kinder nicht fürchten müssen. Auch für mich war es eine komplett neue Erfahrung: Als ich das Kostüm anzog, war ich Uri und nicht Daniel.
Wie waren die Reaktionen darauf?
Zum überwiegenden Teil sehr positiv. Ich habe gemerkt, dass die Menschen offen sind für diese Art von Kunst. Ich jedenfalls sehe es so: Es ist Zeit für neue Traditionen. Nicht obwohl, sondern gerade, weil die Welt vor Herausforderungen steht. Dunkle Zeiten hatten schon immer das Potential, Neues entstehen zu lassen. Auch und vor allem in Krisenzeiten kann viel Gutes entstehen und wachsen, davon bin ich überzeugt.
Anmerkung: In der Fußgängerzone, im Zentrum der Kremser Innenstadt, befindet sich neuerdings das La Domaika, eine Kombination aus Auslage, Galerie und Atelier. Dort ist Daniel Domaika jedes Wochenende anzutreffen.