Rund um Feuersbrunn & Gösing
Merkliste aufrufen merkenWo es schon frühmorgens nach ofenwarmen Kanelbullar und frisch gebrühtem Kaffee duftet und im Weingarten rare Kostbarkeiten gedeihen.
Wie könnte man einen kulinarischen Tag besser beginnen als mit frisch gebackenem Brot und Gebäck? Genau! Also machen wir unseren ersten Halt am Wagram im malerischen Feuersbrunn, einem der ältesten und bedeutendsten Weinbauorte Niederösterreichs. Bunte Häuserzeilen prägen das Straßenbild und schon am frühen Morgen zieht der verlockende Duft von frischgebackenem Brot durch das Dorf. Hier hat die gebürtige Schwedin Kerstin Rhytter einen ehemaligen Winzerhof in ihre Backstube verwandelt. Die Leidenschaft für Wein führte die ausgebildete Sommelière einst in den benachbarten Weinbauort Fels am Wagram – der Liebe wegen ist sie geblieben. Als sie Mutter wird, beginnt sie traditionelle schwedische Zimtschnecken „Kanelbullar“ zu backen, denn schon Kerstins Mutter pflegte zu sagen: „Kinder brauchen Kanelbullar.“ Aus dem Backen für ihren Sohn entwickelt sich eine immer größere Leidenschaft, und bald gesellen sich Brot und Gebäck dazu, die sie mit ihrem Fahrrad ausliefert. Der Ruf der köstlichen Backwaren von „Freibäckerin Kerstin“ verbreitet sich rasch.
„Frisch gemahlener Kardamom ist das Wichtigste für gute Kanelbullar“, sagt sie und verdeutlicht damit, wie wichtig ihr jede Zutat und jeder Arbeitsschritt ist. Waldstaudenroggen, Champagnerroggen, Einkorn und Emmer bezieht sie etwa von Brenner’s Bestes aus Schönfeld an der Wild, Weizen und Lichtroggen vom Biohof Grausenburger aus Wagram am Wagram, Dinkel, Buchweizen und Nackthafer von Claudia Eckart aus Engelmannsbrunn. Sie alle vermahlen ihr Getreide auf Osttiroler Getreidemühlen mit Steinmahlwerk, was für Kerstin ein wichtiger Qualitätsfaktor ist. Ihr liebstes Getreide? „Der Waldstauderoggen ist der coolste Roggen, den es gibt“, sagt sie. Einzig Salz und Zucker kommen von weiter her: Kerstin verwendet handgeerntetes Salz aus Frankreich und Demerara-Vollrohrzucker anstelle von weißem Zucker. Eine weitere Besonderheit ist, dass sie auf Kühlschränke und Gefriertruhen verzichtet – ihre Bäckerei ist eine sogenannte „Ambient Bakery“, sie arbeitet also nur mit der natürlichen Umgebungstemperatur: „Das erfordert gute Planung, aber spart auch sehr viel Energie“, sagt sie. Jede Woche bäckt Kerstin 200 Brote und 400 Schnecken in ihrer kleinen Backstube und verkauft sie freitags am Genussmarkt in Krems und samstags am Naschmarkt in Kirchberg am Wagram. Wer auf den Geschmack kommt, nimmt am besten noch an einem von Kerstins Backworkshops teil: „Nichts von dem, was ich mache, ist ein Geheimnis. Ich finde es ur super, wenn die Leute meine Rezepte auch zuhause backen“, sagt sie.
Wiener Kaffeehausflair auf Gut Neufang
Nur ein paar Türen weiter werden Kerstins frisch gebackene Kanelbullar bereits in der Kaffeebar von Gut Neufang erwartet. „Gut Neufang“ ist das private Refugium von Kulinarik-Journalistin Sonja Planeta, Architekt Oliver Cerny und Coachin Ursula Cerny, das an einigen Wochenenden im Jahr Tür und Tor für Genießer:innen aus nah und fern öffnet. Eine ihrer Veranstaltungen ist das Kaffeehaus-Pop-Up, bei dem Sonja, Oliver und Ursula einen Hauch von Wiener Kaffeehaus-Flair in ihren umgebauten Stadl holen – mit den besten Produkten der Region: Die Kanelbullar und Beeren-Brioche sind von Freibäckerin Kerstin, der Kaffee von Jelinek Kaffee aus Gösing am Wagram – wöchentlich frisch geröstet von Michaela und Manfred Haas, die in Wien auch das Café Jelinek betreiben. Dazu gibt’s belegte Brötchen mit Salamiröschen, Fächergurkerl und Mayonnaisetupferl wie früher sowie hausgemachte Kuchen und Torten. Bei einer Kaffeejause haben wir mit den beiden über ihre Begeisterung für den Wagram und seine Produzent:innen und Handwerker:innen geplaudert.
Raritäten aus dem Weingarten
Nur eine Ortschaft weiter im idyllischen Weinbauort Gösing am Wagram, eingebettet zwischen Hengstberg und den Ausläufern des Manhartsbergs, treffen wir Daniela Vigne und Toni Söllner, die das renommierte Bio-Weingut Söllner führen. Seit 1997 bewirtschaften sie das Weingut biologisch und produzieren nicht nur Wein, sondern auch Destillate, Fruchtansätze, Traubensaft, Sekt, Getreide und sogar Weingartenknoblauch. Der wiederum ist eine wahre Besonderheit: Einst in Zeiten der Donaumonarchie traditionell in den Weingärten angebaut, ist diese Anbauform heute rar geworden: Tonis Mutter „stupft“ den Knoblauch noch wie früher zu den Pfählen im Weingarten, wo er dann wächst und gedeiht. Auch unter Tonis Weinen findet sich eine rare Kostbarkeit: der Rote Veltliner. Die uralte Rebsorte kam einst mit den Römern nach Österreich und war hier am Wagram lange die Hauptrebsorte, geriet aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer mehr in Vergessenheit. 2020 wurde der Rote Veltliner von der Slow Food Stiftung für Biodiversität als besonders schützenswert ausgezeichnet, seither bemüht sich eine Gruppe von Bio-Winzer:innen am Wagram um ihren Erhalt. Am Weingut Söllner wurde der Rote Veltliner freilich immer kultiviert: „Mich hat die Rebsorte schon als Kind fasziniert: eine rötliche Traube, die aber keine Farbe abgibt“, erzählt Toni. Bei der Weinproduktion arbeiten Toni und Daniela nach dem Prinzip der biologisch-dynamischen Landwirtschaft: Zur Aktivierung des Bodens bringen die beiden biodynamische Präparate und selbst erzeugten Kompost aus, fördern die Artenvielfalt im Weingarten und orientieren sich an kosmischen Rhythmen.
Übernachten in der ehemaligen Greisslerei
Vor kurzem haben Toni und Daniela zudem die ehemalige Greisslerei in Gösing übernommen. Seit den 1970ern geschlossen, haben die beiden sie vor dem Verfall bewahrt und zu einem gemütlichen Gästehaus umgebaut: Lehmverputzte Wände, Eschenböden mit Holz aus dem eigenen Wald und Vintage-Möbel aus Greisslerei-Zeiten sorgen für Wohlfühl-Ambiente: „Ich finde alte Möbel schöner – sie sind einfach zeitlos“, sagt Daniela. Highlight der Unterkunft ist sicher das freistehende Bett auf der Terrasse – zum Übernachten unterm Wagramer Sternenhimmel. Im G’wölb, der urigen Wohnküche, warten Köstlichkeiten von befreundeten Produzent:innen, die Weinauswahl im Weinkühlschrank kommt freilich aus dem eigenen Weingut. Für ein regionales Frühstück am nächsten Morgen ist ebenfalls vorgesorgt: selbstgemachte Marmeladen von Daniela, Brioche von Freibäckerin Kerstin und Kaffee von der benachbarten Kaffeerösterei Jelinek warten.